So habe ich zum Beispiel beim Pfarrwirt, mit relativ viel Geld, einen Behindertenlift bauen lassen. Interessant ist allerdings, dass er bis heute von niemanden benutzt wurde, obwohl wir dort immer wieder behinderte Gäste haben.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Schmid, 1010 Wien
Text: Dr. Erwin Riess
Pfarrwirt am Pfarrplatz fast barrierefrei
Sehr geehrter Herr Schmid!
Haben Sie Dank für Ihren Leserbrief.
Er gibt uns Gelegenheit, zur Frage
der Barrierefreiheit Grundsätzliches
anzumerken.
Unsere Barriere-Recherchen am
Döblinger Pfarrplatz haben Ihr Lokal,
den Pfarrwirt am Pfarrplatz, nicht
erfaßt, in unserem Text war die Rede vom Mayer am Pfarrplatz 2, der tatsächlich nicht barrierefrei ist. Nachdem wir Ihren Leserbrief erhalten haben, setzten wir sofort unseren Döblinger Korrespondenten, Pepo Meia (er benützt einen E-Rollstuhl) in Gang, um Ihre Einwände im Detail zu prüfen. Er übermittelte folgendes Testat:
1. Ohne PKW ist es sehr schwer, alleine in den Pfarrwirt zu gelangen. Ähnlich wie beim "Renner" in Nußdorf gibt es Pflastersteine und eine hohe Schwelle. Parkplätze im Hof sind jedoch vorhanden.
2. Ein normgerechtes Behinderten-WC ist vorhanden, jedoch gibt es eine ca. 3 cm hohe Stufe beim Eingang im Hof. Für RollstuhlfahrerInnen, die einen Rollstuhl nicht kippen können, ist das ein unüberwindliches Hindernis.
3. Der Gastgarten ist mit Kieselsteinen relativ hoch aufgeschüttet und damit für Rollstühle ungeeignet.
4. Der Treppenlifter ist nur bis 200 kg belastbar, ein schwerer E-Rollstuhl und ein normalgewichtiger Mensch können ihn nicht benutzen. Ein Schlüssel zum Lifter war vorhanden, das Personal gibt an, das Gerät auch bedienen zu können.
5. Über die Nestelbachgasse, die sehr steil ist, können nur Extremsportler im Rollstuhl zufahren. Sehr wohl erscheint aber eine Zufahrt über die Probusgasse und Eroicagasse möglich. Der Gehsteig ist dort aber zu schmal, man muß auf der engen Straße fahren.
6. Es gibt beim Eingang keine Beschilderung oder einen Hinweis auf die weitgehende Barrierefreiheit des Lokals. Daß ein Behinderten-WC und auch ein Treppenlifter vorhanden sind, weiß daher niemand. Vermutlich aus diesem Grund wird der Lifter auch nicht benutzt. Ein Schild, welches auf Barrierefreiheit hinweist, könnte Abhilfe schaffen.
Sehr geehrter Herr Schmid!
In der kürzlich vorgelegten Novelle zur Gewerbeordnung wird auch bei großen Umbauten und Totalsanierungen die Barrierefreiheit von Lokalen in der Gastronomie und im Handel NICHT vorgeschrieben. Die mangelnde Barrierefreiheit in Österreich wird also weiter bestehen. Dieser ärgerliche Befund drückt sich unter anderem darin aus, daß selbst jene, die eine alte Bausubstanz großteils barrierefrei machen und somit als Vorbild gelten können, unzufrieden sind, weil ihr Einsatz unbemerkt und unbedankt bleibt. Insofern wurden auch Sie indirekt ein Opfer der besonders im Gastronomiebereich skandalösen Verhältnisse im Bereich der Barrierefreiheit. Weil in Österreich kein behinderter Mensch annimmt, in einer mittelalterlichen Umgebung auf ein barrierefreies Lokal zu stoßen und weil die Barrierefreiheit von den Behörden der Tourismusindustrie in Prospekten und Internet-Auftritten nicht oder nur lückenhaft dokumentiert wird, bleibt Ihr Treppenlifter verwaist. In einigen Ländern Südeuropas, in Skandinavien und New York präsentieren die Verhältnisse sich umgekehrt. Auch in alter Bausubstanz gibt es dort Barrierefreiheit, Treppenlifter bleiben nicht arbeitslos. Wir raten daher zu einem kleinen Schild, das auf die Barrierefreiheit Ihrer Gaststätte hinweist.
Mit freundlichen Grüßen!
Herr Groll & Co.